
In der Notfallmedizin spielt der Notarzt eine zentrale Rolle im österreichischen Gesundheitssystem. Notärzte sind hochqualifizierte Ärzte, die speziell geschult sind, um in kritischen Situationen schnelle und lebensrettende Maßnahmen zu ergreifen. Damit die Ärzte auch optimal für diese Herausforderungen gewappnet sind, existiert seit 2019 in Österreich das Notarztdiplom. Durch das Notarztdiplom erwirbt man das notwendige Zusatzwissen und die praktischen Fähigkeiten, um als Arzt in medizinischen Notfällen, sei es bei Unfällen oder akuten Erkrankungen, vor Ort effizient handeln zu können.
Inhaltsverzeichnis
Wie kann man Notarzt werden? – Voraussetzungen für das Notarztdiplom in Österreich
Um das Notarztdiplom zu erwerben, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Zunächst ist ein erfolgreich abgeschlossenes Studium der Humanmedizin erforderlich. Darüber hinaus muss der Arzt mindestens 33 Monate klinische Erfahrung in einem Krankenhaus gesammelt haben. Ein weiterer Bestandteil ist die Erfüllung eines festgelegten Skillkatalogs, der die notwendigen praktischen Fertigkeiten umfasst.
Des Weiteren muss ein Notarztkurs im Umfang von 80 Stunden absolviert werden. Zusätzlich sind 20 supervisierte Notarzteinsätze mit direktem Patientenkontakt notwendig, um ausreichende praktische Erfahrung zu sammeln. Zum Abschluss des Ausbildungsweges steht die kommissionelle Notarztprüfung.
Für Fachärzte der folgenden Disziplinen ist die notärztliche Weiterbildung nicht möglich:
- Klinische Immunologie
- Klinische Immunologie und Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin
- Klinische Pathologie und Molekularpathologie
- Klinische Pathologie und Neuropathologie
- Klinische Mikrobiologie und Hygiene
- Klinische Mikrobiologie und Virologie
Alles Facharztrichtungen und Facharztausbildungen in Österreich im Überblick:
- Facharztausbildung Übersicht – alle Fachrichtungen
- Facharztrichtungen – Übersicht
- Internistische Sonderfächer – Überblick
Dauer und Ablauf der Notarzt-Ausbildung
Das Medizinstudium eingerechnet, darf man also frühestens nach neun Jahren ärztlicher Ausbildung selbst als Notarzt fahren (sechs Jahre Studium plus 33 Monate klinische Erfahrung). Wer die oben genannten Voraussetzungen erfüllt, darf dies allerdings schon als Arzt in Weiterbildung zum Facharzt – also ohne abgeschlossene Facharztausbildung. Das Notarztdiplom erhält man nach dem Ablegen einer Abschlussprüfung. Diese besteht aus einem praktischen und einem theoretischen Teil. Die Prüfer setzen sich aus einem Gremium der Österreichischen Ärztekammer zusammen.
Ausbildungsinhalte des Notarztdiploms
Grundsätzlich sollen die angehenden Notärzte im Rahmen des Diplomerwerbs klinische und notärztliche Kompetenzen erlernen. Der Fokus liegt insbesondere auf folgenden Gebieten:
- Reanimation, Atemwegssicherung, Intubation und Schocktherapie sowie Therapie von Störungen des Säure-, Basen-, Elektrolyt- und Wasserhaushalt
- Anästhesie und Intensivbehandlung
- Infusionstherapie
- Chirurgie, Unfallchirurgie einschließlich Hirn- und Rückenmarksverletzungen sowie Verletzungen der großen Körperhöhlen, abdomineller Chirurgie, Thoraxchirurgie und Gefäßchirurgie
- Diagnose und Therapie von Frakturen und Verrenkungen
- Innere Medizin, insbesondere Kardiologie einschließlich EKG-Diagnostik, Kinder- und Jugendheilkunde, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Neurologie sowie Psychiatrie und Psychotherapeutischer Medizin.
Skillkatalog
Den notärztlichen Skillkatalog muss man innerhalb der 33 Monate klinischer Tätigkeit erfüllen. Wie bei einer Ausbildung zum Facharzt auch, gliedert er sich in Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten. Für die zu erwerbenden Fertigkeiten sind überwiegend Richtzahlen festgelegt, wie oft man diese Tätigkeit mindestens ausführen muss (Zahl in Klammern).
A) Kenntnisse
- Aufbau und Organisation des Rettungs- und Notarztdienstes
- Grundlagen der Dokumentation und Arzthaftung
- Großschadensereignisse und Triage
- Grundlagen der multiprofessionellen Koordination und Kooperation
- Eigenschutz und persönliche Schutzausrüstung
- Hygiene
- Maßnahmen zur Patientensicherheit
- Ethik ärztlichen Handelns
- Anatomie und Pathophysiologie notfallmedizinisch relevanter Erkrankungs- und Verletzungsbilder
- Pharmakologie notfallmedizinisch relevanter Medikamente
- Diagnostik und Krankenbehandlung in Notfallsituationen
- Grundlagen der Intensivbehandlung
- Atemwegsmanagement und mechanische Beatmung
- Geburtshilfe
- Palliativmedizin
- Schmerztherapie
- Geriatrie
- Betreuung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen
- Grundlagen der psychosozialen Betreuung in Notfallsituationen
- Feststellung des Todes
B) Erfahrungen
- Diagnostik und Krankenbehandlung nach Leitsymptomen, insbesondere bei
a. Störungen des Atemwegs (Ersticken)
b. Störungen der Atmung (Atemnot)
c. Störungen des Kreislaufs (Schock)
d. Störungen des Bewusstseins (Bewusstseinsstörungen)
e. Störungen von Körperschale und/oder –skelett (Schmerzen, Verletzungen) - Rettungs-, Immobilisations- und Lagerungstechniken
- Klinische und apparative Überwachung in Notfallsituationen
- Beurteilung und Management des (schwierigen) Atemwegs
- Grundlagen der invasiven und nicht-invasiven Beatmung
- Grundlagen fachspezifischer Notfallbetreuung im Erwachsenen- und Kindesalter, insbesondere bei
- pulmonalen Notfällen
- kardiovaskulären Notfällen
- traumatologischen Notfällen
- abdominellen Notfällen
- neurologischen Notfällen
- metabolischen Notfällen
- toxikologischen Notfällen
- gynäkologischen Notfällen
- urologischen Notfällen
- thermischen Notfällen
- psychiatrischen Notfällen
- Reanimation im Erwachsenen- und Kindesalter
- Schockbehandlung
- Schwerverletztenbehandlung
- Schmerzbehandlung, Sedierung und Anästhesie in Notfallsituationen
- Crew Ressource Management (CRM)
- Organisation und Durchführung von Transporten beatmeter Patienten
C) Fertigkeiten
Erkennen und Vorgehen bei akut bedrohlichen Situationen im Erwachsenen- und Kindesalter, Sofortmaßnahmen, Erstversorgung (Richtzahl: 50), insbesondere bei:
- pulmonalen Notfällen (5)
- kardiovaskulären Notfällen (5)
- traumatologischen Notfällen (5)
- neurologischen Notfällen (5)
- metabolischen Notfällen (5)
- abdominellen Notfällen
- toxikologischen Notfällen
- gynäkologischen Notfällen
- urologischen Notfällen
- thermischen Notfällen
- psychiatrischen Notfällen
Weitere Fertigkeiten
- Laryngoskopie und endotracheale Intubation
- a) Erwachsene (70)
- b) Kinder, Säuglinge, Neugeborene (10)
- Atemwegssicherung mit extraglottischen Atemwegshilfen (20)
- Krikothyreotomie (5)
- Mechanische Beatmung (Invasiv oder Nicht-invasiv) (20)
- Thorakozentese (5)
- Legen eines venösen Zugangs
- a. Erwachsene
- b. Kinder und Säuglinge (5)
- Anlage intraossärer Zugänge (5)
- Umgang mit zentralvenösen Kathetern
- Invasive arterielle Blutdruckmessung
- EKG (50)
- Kardiopulmonale Reanimation (5)
- Elektrische Therapie bei Herzrhythmusstörungen (Transkutane
Schrittmachertherapie oder Synchronisierte Kardioversion) (10) - Notfallsonographie (20)
- Reposition, Schienung, Wundversorgung bei Knochenbrüchen oder –luxationen
- Behandlung und Prioritäteneinschätzung bei Poly- und/oder Neurotrauma (5)
- Spontangeburt und postpartale Versorgung des Neugeborenen (5)
Stellenangebote
Notärztlicher Lehrgang
Der notärztliche Lehrgang umfasst insgesamt 80 Unterrichtseinheiten (UE). Davon entfallen mindestens 50 UE auf die theoretischen Inhalte und mindestens 20 UE auf den praktischen Teil.
Curriculum Theorie
Bereich Inhalte Organisation Einsatzlogistik, rechtliche Grundlagen in der Notfallmedizin; Notfallmedizinische Ausrüstung; Gefahren im Notarzteinsatz; Notfallpsychologie Traumatologie Schädel-Hirntrauma, Wirbelsäulenverletzungen; Thoraxtrauma; Abdominalverletzungen; Becken- und Extremitätentrauma; Thermische Schäden; Amputationsverletzungen; Polytrauma-Management Innere Medizin Thoraxschmerz; Atemnot; Management von Herzrhythmusstörungen; Synkopenmanagement, hypertensive Notfälle; Metabolische Notfälle; Akutes Abdomen Neurologie Cerebraler Insult; Krampfanfälle; Differentialdiagnose der Bewusstseinsstörungen Pädiatrie Besonderheiten der Pathophysiologie bei pädiatrischen Notfällen; Kinderreanimation; Trauma und Schock im Kindesalter; Respiratorische Kindernotfälle; Neurologische Notfälle im Kindesalter; Kindesmisshandlung Anästhesie Schock; Schmerztherapie; Intubation; Notfallnarkose; Beatmung; Management des schwierigen Atemweges Sonstige Inhalte Chirurgie inkl. Gefäßnotfälle; Anaphylaxie; Tauchunfälle; Stromunfälle, Blitzschlag; Augennotfälle; Notfälle obere Atemwege, HNO – kieferchirurgische Notfälle; Gyn-geburtshilfliche Notfälle; Intoxikationen, Drogennotfälle; Near-Drowning, Ertrinkungsunfall; Ethik in der Notfallmedizin; Palliativmedizin; Reanimation; Psychiatrische Notfälle; Großschadensereignis; Hypothermie - Lawinenunfall
Curriculum Praxis
- Endotracheale Intubation
- Der schwierige Atemweg
- Notfallkoniotomie
- Beatmungstechniken (Maskenbeatmung; Kontrollierte Beatmungsformen; Nicht-invasive Beatmung; Augmentierte Beatmungsformen)
- Intraossäre Zugänge
- Thoraxdrainage
- Berge- und Lagerungstechniken (bei eingeklemmten Patienten; bei Polytraumapatienten; nach Schädelhirntrauma; nach Wirbelsäulenverletzungen; bei internistischen Patienten)
- Defibrillation, Kardioversion
- Reanimation bei Erwachsenen
- Reanimation von Kindern
- Reanimation von Neugeborenen
- Notfallsonographie-Einführung
- Notfall-EKG
Das Logbuch
Um zur Notarztprüfung zugelassen zu werden, muss man außerdem an mindestens 20 Einsatzfahrten teilnehmen. Die Einsätze müssen wiederum in einem Logbuch genau dokumentiert werden. Das Logbuch gibt es hier zum Download bei der Österreichischen Ärtzekammer.
Aufgaben und Verantwortlichkeiten eines Notarztes im Alltag
Der Alltag eines Notarztes ist geprägt von einer Vielzahl an Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die einen raschen und präzisen Einsatz erfordern. Notärzte arbeiten eng mit Rettungssanitätern und Pflegepersonal zusammen und müssen oft in stressigen Situationen schnell und richtig entscheiden. Sie werden bei verschiedenen Notfällen eingesetzt, von Herzinfarkten und Schlaganfällen bis hin zu schweren Unfällen. Notärzte müssen sich zudem auf verschiedene Einsatzumgebungen einstellen können und flexibel auf die Bedürfnisse ihrer Patienten reagieren.
Ersteinschätzung und Diagnostik
Die erste Aufgabe des Notarztes bei einem Einsatz ist die schnelle und präzise Ersteinschätzung des Zustands des Patienten. Dies beinhaltet die Beurteilung der Vitalfunktionen wie Atmung, Kreislauf und Bewusstsein sowie das Erkennen von lebensbedrohlichen Zuständen. Durch gezielte Fragen und Beobachtungen erstellt der Notarzt eine erste Diagnose, die als Grundlage für die weiteren Schritte dient. Diese schnelle und fachkundige Einschätzung ist entscheidend, um sofort lebensrettende Maßnahmen einleiten zu können.
Durchführung lebensrettender Sofortmaßnahmen
Notärzte sind spezialisiert auf die Durchführung lebensrettender Maßnahmen direkt am Einsatzort. Dazu gehören unter anderem Reanimationsverfahren bei Herz-Kreislauf-Stillstand, die Sicherung und Wiederherstellung der Atemwege sowie die Verabreichung von Notfallmedikamenten. Oftmals sind sie auch mit der Behandlung schwerer Verletzungen nach Unfällen oder der Stabilisierung von Patienten mit akuten Erkrankungen wie Herzinfarkten oder Schlaganfällen betraut. Diese Maßnahmen erfolgen unter extremem Zeitdruck und erfordern höchste Präzision und Erfahrung.
Stabilisierung und Vorbereitung für den Transport
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Notarztarbeit ist die Stabilisierung des Patienten, um ihn für den Transport ins Krankenhaus vorzubereiten. Hierbei müssen die Vitalfunktionen des Patienten gesichert und, wenn nötig, kontinuierlich überwacht werden. Der Notarzt entscheidet über die beste Transportmethode und leitet entsprechende Maßnahmen ein, um den Patienten während des Transports stabil zu halten. Dies kann die Verabreichung von Medikamenten, die Verwendung von medizinischen Geräten oder die Begleitung im Rettungswagen oder Hubschrauber beinhalten.
Gehalt eines Notarztes
Das Gehalt eines Notarztes variiert je nach Erfahrung, Arbeitsort und Einsatzbereich. Im Schnitt verdient ein Notarzt in Österreich 5.360 Euro pro Monat. Diese Vergütung kann unter anderem durch Notfallzulagen, Bereitschaftsdienste und Überstundenvergütungen zusätzlich erhöht werden.
Mögliche Arbeitsorte für Notärzte
Notärzte können an verschiedenen Orten und in unterschiedlichen Einrichtungen tätig sein. Typische Arbeitsplätze sind der Rettungsdienst, Krankenhäuser und Notaufnahmen, wo sie unmittelbar an Notfallversorgung und -behandlungen beteiligt sind. Einige Notärzte spezialisieren sich auf die Arbeit in der Luftrettung und arbeiten auf Rettungshubschraubern, die oft in schwer erreichbaren Gegenden eingesetzt werden. Auch bei Großveranstaltungen, auf Kreuzfahrtschiffen oder in spezialisierten Kliniken sind Notärzte gefragt.
Weiterbildungsmöglichkeiten und Spezialisierungen mit Notarztdiplom
Gemäß der Notärzte-Verordnung sind Notärzte dazu verpflichtet, sich regelmäßig weiterzubilden. Das bedeutet, dass man innerhalb von 36 Monaten nach der Abschlussprüfung (oder nach der letzten Fortbildung) eine zweitägige Fortbildung mit 16 Lehreinheiten zu je 45 Minuten besuchen muss, die vom ÖÄK anerkannt ist. Kommt man dieser Pflicht nicht nach, erlischt die Notarzt-Berechtigung und man muss die Abschlussprüfung erneut ablegen.
Fortbildungen gibt es beispielsweise in Bereichen wie Trauma-Management, Intensiv- oder Notfallmedizin. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, sich auf bestimmte Patientengruppen oder Einsatzbereiche zu spezialisieren, wie etwa die Luftrettung oder die Versorgung von Kindern. Schließlich ist auch eine Weiterbildung zum Leitenden Notarzt ein weiterer möglicher Karriereschritt.