
Die im August 2025 veröffentlichte Ärztestatistik der Österreichischen Ärztekammer für das Jahr 2024 zeigt: Österreich verfügt zwar über ausreichend Ärzte, dennoch wird die Versorgungslage zunehmend kritisch eingeschätzt. Wie passt das zusammen? Dieser Beitrag beantwortet die wichtigsten Fragen und liefert einen Überblick über die Zahlen, Entwicklungen und Herausforderungen der Ärztestatistik Österreich 2024.
Inhaltsverzeichnis
Ärztestatistik Österreich 2024: Zahlen, Daten, Fakten
Mit Stichtag 31. Dezember 2024 waren in Österreich 52.005 Ärzte registriert – ein Zuwachs von 2,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die größte Gruppe bilden die Fachärzte mit 29.385 Personen, gefolgt von 12.882 Allgemeinmedizinern und 9.620 Turnusärzten. Besonders auffällig ist der nahezu ausgeglichene Geschlechteranteil: 25.968 der registrierten Ärzte sind weiblich, was einem Anteil von 49,9 Prozent entspricht. In der Allgemeinmedizin liegt der Frauenanteil sogar bei über 60 Prozent.
Auch die Altersstruktur fällt ins Auge: Rund ein Drittel der Ärzteschaft ist älter als 55 Jahre, während der Anteil der unter 35-Jährigen rückläufig ist. Das Durchschnittsalter beträgt derzeit 48,6 Jahre, was einen hohen altersbedingten Ersatzbedarf in der kommenden Dekade ankündigt. Besonders auffällig ist der Anstieg der über 65-jährigen Ärzte in den letzten Jahren.
In Bezug auf die berufliche Ausübung zeigt sich ein differenziertes Bild: 20.084 Ärzte führen eine eigene Ordination, 28.407 sind ausschließlich angestellt, und weitere 6.239 kombinieren beide Tätigkeitsformen, etwa durch eine Spitalstätigkeit mit zusätzlicher Wahlarztordination. Der hohe Anteil angestellter Ärzte spiegelt sowohl strukturelle Veränderungen im Gesundheitswesen als auch den Wunsch nach planbaren Arbeitszeiten wider.
Regionale Unterschiede und Fachrichtungen
Regionale Unterschiede sind ebenfalls deutlich: Besonders viele Ärzte arbeiten in Wien, während Bundesländer wie Vorarlberg, Tirol oder das Burgenland geringere Ärztedichten aufweisen. Auch die Herkunft spielt eine wachsende Rolle: 8.443 der in Österreich tätigen Ärzte stammen ursprünglich aus dem Ausland, vor allem aus Deutschland, Italien, Ungarn und der Slowakei. Bei Turnusärzten liegt der Anteil internationaler Kollegen noch etwas höher.
Bei den Fachrichtungen dominieren weiterhin die großen klinischen Disziplinen: Innere Medizin, Allgemeinmedizin, Anästhesiologie, Frauenheilkunde, Radiologie, Psychiatrie und Chirurgie. Gleichzeitig verzeichnen kleinere Fächer wie Arbeitsmedizin, Klinische Immunologie oder Kinder- und Jugendpsychiatrie eine langsame, aber stetige Zunahme.
Warum die Versorgungslage trotz guter Zahlen kritisch bleibt
Auf den ersten Blick wirkt die Ärztesituation stabil. Unter der Oberfläche zeigen sich jedoch strukturelle Herausforderungen: alternde Belegschaften, sinkende Zahl selbstständig geführter Ordinationen, hohe Teilzeitquoten und regionale Disparitäten deuten auf einen wachsenden Reformbedarf hin. Wer heute plant, ärztlich tätig zu werden oder sich niederzulassen, sollte diese Entwicklungen berücksichtigen.
Ein Drittel der derzeit aktiven Ärzte ist älter als 55 Jahre. Hochrechnungen zeigen, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre fast 20.000 Ärzte in Pension gehen, was einen jährlichen Ersatzbedarf von etwa 1.900 Ärzten bedeutet. Schon jetzt ist absehbar, dass diese Lücke nicht leicht zu schließen sein wird. Weder eine Erhöhung der Studienplätze noch ein verstärkter Zuzug ausländischer Ärzte wird ausreichen, um den bevorstehenden Ärztemangel vollständig aufzufangen.
Jährlich stehen 1.756 Studienplätze für Humanmedizin zur Verfügung, ergänzt durch 144 Plätze für Zahnmedizin. Viele Absolventen verbleiben jedoch nicht im öffentlichen System. Gründe hierfür sind unter anderem Abwanderung ins Ausland, die Wahl alternativer Berufsfelder oder die Tätigkeit als Wahlarzt. Die tatsächliche Versorgungskapazität fällt somit deutlich niedriger aus als die reinen Studienzahlen vermuten lassen.
Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Johannes Steinhart, bringt es auf den Punkt: Es fehle nicht grundsätzlich an Ärzten, sondern an ihrer Verfügbarkeit im öffentlichen System. Kassenstellen bleiben über Monate unbesetzt, insbesondere in ländlichen Regionen. Gleichzeitig sehen sich Spitäler mit Personalfluktuation und hoher Bürokratie konfrontiert.
Berufsgruppe | Antei über 55 Jahre | Frauenanteil | Prognostischer Ersatzbedarf (nächste 10 Jahre) |
---|---|---|---|
Allgemeinmedizin | 41% | 60,8% | Hoch |
Fachärzte gesamt | 30% | ca. 40% | Mittel bis hoch |
Spitalsturnusärzte | 22% | 56,4% | Steigend |
Kassnärzte | 44% | ca. 52% | Sehr hoch |
Quelle: Österreichische Ärztekammer, Ärztestatistik 2024
Weitere Probleme für Ärzte im österreichischen Gesundheitssystem
Neben den demografischen Herausforderungen erschweren strukturelle Faktoren die Arbeit vieler Ärzte: starre Kassenmodelle, geringe Flexibilität bei Arbeitszeiten und eingeschränkte Vereinbarkeit von Beruf mit Familie oder wissenschaftlicher Tätigkeit führen dazu, dass viele junge Mediziner eine langfristige Tätigkeit im Kassensystem scheuen. Hinzu kommt ein wachsendes Bedürfnis nach individueller Gestaltungsfreiheit, das sich mit der aktuellen Struktur nur schwer vereinbaren lässt.
Die Österreichische Ärztekammer fordert daher tiefgreifende strukturelle Reformen, darunter:
- Flexibilisierung im Kassensystem
- Abbau unnötiger Bürokratie
- Ausbau digitaler Schnittstellen wie ELGA
- Verbesserte Planung bei der Zuteilung von Ausbildungsplätzen
- Anpassung von EU-Quoten für Medizinstudierende, um Ausbildungskapazität und tatsächlichen Bedarf besser abzugleichen
Fazit
Die Ärztestatistik Österreich 2024 liefert wertvolle Zahlen, zeigt aber vor allem strukturelle Herausforderungen: Trotz hoher Ärztedichte drohen durch Pensionierungen, regionale Disparitäten und Teilzeitquoten Versorgungslücken. Eine funktionierende ärztliche Versorgung in Österreich wird in den kommenden Jahren nicht von selbst entstehen, sondern erfordert politische, organisatorische und strukturelle Maßnahmen. Nur durch gezielte Reformen kann sichergestellt werden, dass die Bevölkerung weiterhin ausreichend medizinisch versorgt wird.