
Die Gesundheitsausgaben in Österreich sind im Jahr 2024 erneut stark gestiegen und haben mit 57,03 Milliarden Euro einen neuen Höchststand erreicht. Das entspricht einem Anstieg von 4,25 Milliarden Euro bzw. acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. Besonders bemerkenswert ist dabei der steigende Anteil der Gesundheitskosten am Bruttoinlandsprodukt (BIP): Dieser liegt mittlerweile bei 11,8 Prozent, ein Zuwachs von 0,6 Prozentpunkten. Damit wird deutlich: Die Kosten für das Gesundheitssystem wachsen deutlich schneller als die Wirtschaftsleistung – ein Signal, das bei Ärzten und Entscheidungsträgern gleichermaßen für Aufmerksamkeit sorgt.
Inhaltsverzeichnis
- Öffentliche und private Ausgaben steigen unterschiedlich
- Versorgungskosten steigen in allen Bereichen
- Handlungsbedarf im Kassenbereich
- Kooperation als Lösung: PVE und sektorübergreifende Zusammenarbeit
- Digitalisierung als Hebel zur Effizienzsteigerung
- Ressourcen gezielt nutzen: medizinischer Mehrwert statt Überversorgung
- Fazit: Gesundheitswesen vor einer Richtungsentscheidung
Öffentliche und private Ausgaben steigen unterschiedlich
Den Großteil der Finanzierung trägt weiterhin die öffentliche Hand. Mit rund 43,5 Milliarden Euro entfielen etwa 76,3 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben auf Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungsträger. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Anstieg von 7,5 Prozent.
Noch dynamischer entwickelten sich jedoch die privaten Gesundheitsausgaben. Sie stiegen um beachtliche 9,8 Prozent auf rund 13,53 Milliarden Euro. Damit machen private Leistungen – etwa durch Haushalte, Zusatzversicherungen und Unternehmen – knapp ein Viertel der Gesamtausgaben aus. Dieser Trend deutet darauf hin, dass zunehmend mehr Patienten bereit oder gezwungen sind, Gesundheitsleistungen aus eigener Tasche zu finanzieren.
Versorgungskosten steigen in allen Bereichen
Der Kostenanstieg zieht sich durch nahezu alle Bereiche des Gesundheitssystems. Sowohl in der stationären Versorgung als auch im ambulanten Bereich, bei niedergelassenen Ärzten, in der Langzeitpflege sowie in der Versorgung mit Heilmitteln sind deutliche Mehrausgaben zu verzeichnen. Besonders die stationäre und ambulante Versorgung gelten als Haupttreiber dieser Entwicklung.
Besorgniserregend ist dabei vor allem das Missverhältnis zum BIP-Wachstum. Da die gesamtwirtschaftliche Entwicklung schwächer ausfällt als das Kostenwachstum im Gesundheitswesen, steigt der relative Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP weiter an – ein Indikator für ein zunehmend unausgeglichenes System.
Handlungsbedarf im Kassenbereich
Angesichts der finanziellen Schieflage im öffentlichen Bereich ist es für niedergelassene Ärzte umso wichtiger, sich stärker in politische Prozesse einzubringen. Die Sicherung und der Ausbau von Kassenstellen ist nicht nur eine Frage der Versorgungssicherheit, sondern auch der Systemgerechtigkeit.
Die Ärztekammer fordert daher eine angemessene Anpassung der Honorare an den tatsächlichen Arbeitsaufwand und die Betriebskosten in Ordinationen. Nur so kann der öffentliche Bereich langfristig attraktiv gehalten und einer zunehmenden Verlagerung in den Wahlarztsektor entgegengewirkt werden.
Kooperation als Lösung: PVE und sektorübergreifende Zusammenarbeit
Ein vielversprechender Ansatz zur Entlastung des Systems liegt in der Förderung interdisziplinärer Versorgungsmodelle. Primärversorgungseinheiten (PVE) können als strukturierte Anlaufstellen eine sinnvolle Ergänzung zum klassischen Wahlarztsystem darstellen.
Darüber hinaus bedarf es einer besseren Vernetzung zwischen dem niedergelassenen Bereich und dem Spitalswesen. Eine engere Zusammenarbeit kann helfen, Doppelgleisigkeiten zu vermeiden, die Patientenversorgung effizienter zu gestalten und Ressourcen gezielter einzusetzen.
Digitalisierung als Hebel zur Effizienzsteigerung
Ein weiterer Schlüssel zur Modernisierung des Gesundheitssystems liegt in der digitalen Transformation. Der Ausbau von E-Health-Lösungen kann dazu beitragen, administrative Prozesse zu vereinfachen und den bürokratischen Aufwand in den Ordinationen deutlich zu reduzieren.
Insbesondere im Austausch mit Sozialversicherungsträgern können digitale Schnittstellen Abläufe beschleunigen, Fehlerquellen minimieren und letztlich mehr Zeit für die Patientenversorgung schaffen. Die Digitalisierung ist damit nicht nur ein technisches Thema, sondern auch eine zentrale Voraussetzung für nachhaltige Effizienzsteigerungen im Gesundheitswesen.
Ressourcen gezielt nutzen: medizinischer Mehrwert statt Überversorgung
Neben strukturellen Reformen ist auch ein kritischer Blick auf den medizinischen Nutzen einzelner Maßnahmen notwendig. Die systematische Einführung von Health Technology Assessments (HTA) kann helfen, medizinische Leistungen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit zu bewerten.
Ärzte sind dabei aufgerufen, sich aktiv in diese Prozesse einzubringen. Nur durch die fachliche Perspektive der Praktiker kann sichergestellt werden, dass solche Bewertungen praxisnah erfolgen und nicht zu Lasten der Patientenversorgung gehen.
Darüber hinaus ist ein reflektierter Umgang mit diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen gefragt. Die Einhaltung evidenzbasierter Leitlinien, eine sorgfältige Indikationsstellung sowie der bewusste Verzicht auf unnötige Untersuchungen können wesentlich dazu beitragen, Überversorgung zu vermeiden und das System zu entlasten – ohne die Versorgungsqualität zu gefährden.
Fazit: Gesundheitswesen vor einer Richtungsentscheidung
Die aktuellen Zahlen der Statistik Austria zeigen deutlich, dass das österreichische Gesundheitssystem an einem Wendepunkt steht. Die stark steigenden Ausgaben treffen auf ein stagnierendes Wirtschaftswachstum und belasten damit zunehmend die Finanzierungssicherheit des öffentlichen Bereichs.
Gleichzeitig gewinnt der private Sektor an Bedeutung – mit allen damit verbundenen Risiken einer Zwei-Klassen-Medizin. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, braucht es dringend umfassende Strukturreformen, eine faire Honorierung ärztlicher Leistungen und ein klares politisches Bekenntnis zur Stärkung der öffentlichen Gesundheitsversorgung.
Die Ärzte selbst stehen dabei im Zentrum: als Leistungsträger, als Gestalter und als Stimme für ein nachhaltiges, gerechtes und zukunftsfähiges Gesundheitssystem.