
Während die Diskussion über eine verpflichtende Kassentätigkeit für Jungärzte zuletzt wieder aufflammte, zeigen neue Daten ein anderes Bild: Der Einstieg in das Kassensystem erfolgt heute häufiger als früher, doch viele Ärzte steigen nach 15-25 Jahren wieder aus. Die Ursachen liegen tief im System. Experten fordern nun gezielte Reformen statt neuer Zwangsmaßnahmen.
Inhaltsverzeichnis
Kurzüberblick
- Junge Ärzte treten heute deutlich häufiger ins Kassensystem ein als früher.
- Viele verlassen es nach 15-25 Jahren aufgrund unattraktiver Rahmenbedingungen.
- Der Ärztemangel resultiert weniger aus fehlendem Nachwuchs als aus Systemmängeln.
- Eine verpflichtende Kassentätigkeit nach dem Studium wäre keine Lösung.
- Gefragt sind strukturelle Reformen und ein bundesweiter Gesamtvertrag mit fairen Konditionen.
Junge Ärzte treten wieder häufiger ins Kassensystem ein
Aktuelle Zahlen der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) belegen: Männer zwischen 30 und 35 Jahren treten heute zwei- bis dreimal häufiger in einen Kassenvertrag ein als noch im Jahr 2011. Der vielzitierte „Nachwuchsmangel“ zeigt sich zumindest auf den ersten Blick nicht im Eintritt ins System. Insbesondere Allgemeinmediziner entscheiden sich häufiger für eine Kassenordination – zumindest zu Beginn ihrer Laufbahn.
Frühzeitiger Ausstieg: Das eigentliche Problem
Auffällig ist jedoch der starke Rückgang an Kassenärzten im Alter von 45 bis 55 Jahren. Viele verlassen das System nach rund 15 bis 25 Jahren und wechseln in eine Wahlarztordination oder in den privaten Sektor. Laut Ärztekammer stieg die Zahl der Wahlärzte zwischen 2015 und 2025 um rund 2.500 auf knapp 11.800.
Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass nicht der Einstieg das Problem ist, sondern die langfristige Bindung. Ungünstige Rahmenbedingungen, insbesondere im ländlichen Raum, tragen maßgeblich zur Abwanderung bei.
Reformbedarf statt Pflichtjahr
Die Idee eines verpflichtenden Dienstjahres im Kassensystem, wie sie zuletzt von politischen Vertretern ins Spiel gebracht wurde, trifft in der Ärzteschaft auf wenig Verständnis. Kritiker verweisen auf die wachsende Belastung durch Bürokratie, unflexible Arbeitszeiten und ein veraltetes Honorarsystem.
Die Ärztekammer fordert daher einen bundesweit einheitlichen Gesamtvertrag mit der ÖGK, der klare Leistungen, faire Vergütung und bessere Planbarkeit bieten soll. Auch der neue Ärztekammerpräsident Harald Mayer sprach sich kürzlich für einen Systemumbau statt Zwangsverpflichtungen aus.
Gesundheitssystem unter Druck
Der Reformbedarf ist auch vor dem Hintergrund der allgemeinen Finanzlage der Sozialversicherungsträger dringend. Laut Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) droht der ÖGK bis 2029 ein kumuliertes Defizit von über 8 Milliarden Euro. Der finanzielle Spielraum für Verbesserungen ist also begrenzt. Umso wichtiger sind gezielte Maßnahmen zur Attraktivierung des Kassensystems.
Fazit: Chancen nutzen statt Pflichten verhängen
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Das Kassensystem ist kein Auslaufmodell, wohl aber reformbedürftig. Der Einstieg junger Ärzte funktioniert. Der Ausstieg nach 15 Jahren zeigt jedoch, dass strukturelle Mängel bestehen. Eine verpflichtende Kassentätigkeit würde nur Symptome bekämpfen, nicht aber Ursachen.
Was jetzt zählt, sind politische Weichenstellungen: Ein moderner Gesamtvertrag, flexible Modelle für Stadt und Land sowie ein offener Dialog mit der Ärzteschaft sind Schlüssel, um das Kassensystem wieder zukunftsfit zu machen.
Häufige Fragen
- Was sind Kassenverträge für Ärzte?
- Warum steigen viele Ärzte nach einigen Jahren aus Kassenverträgen aus?
- Ist ein verpflichtender Einstieg in Kassenverträge sinnvoll?
- Wie viele Ärzte wechseln aus Kassenverträgen in Wahlarztordinationen?
- Was fordern Ärztevertreter zur Verbesserung von Kassenverträgen?
Kassenverträge regeln die Zusammenarbeit zwischen Vertragsärzten und der Sozialversicherung. Sie definieren Leistungen, Honorare und organisatorische Rahmenbedingungen.
Viele Ärzte beenden Kassenverträge nach etwa 15 Jahren wegen hoher Bürokratie und unattraktiver Arbeitsbedingungen. Das betrifft besonders die Altersgruppe zwischen 45 und 55 Jahren.
Ein verpflichtender Einstieg in Kassenverträge wird von Experten abgelehnt. Die Probleme liegen eher im System als im fehlenden Willen junger Ärzte.
Zwischen 2015 und 2025 wechselten rund 2.500 Ärzte aus Kassenverträgen in das Wahlarztsystem. Das zeigt einen klaren Trend zur privaten Praxis.
Die Ärztekammer fordert bundesweit einheitliche Kassenverträge mit klaren Leistungen und fairer Vergütung. Ziel ist es, das System attraktiver und planbarer zu gestalten.













