
Die Bundesländer schlagen Alarm: Angesichts steigender Kosten und struktureller Herausforderungen im Gesundheitssystem fordern sie grundlegende Reformen. Im Mittelpunkt steht die Finanzierung: Genauer die Einführung einer dritten, vom Bund finanzierten Säule, um den ambulanten Bereich zu stärken und die Spitäler zu entlasten.
Duale Finanzierung unter Druck
Derzeit ist das österreichische Gesundheitssystem zweigeteilt:
- Stationäre Versorgung: Die Bundesländer tragen die Hauptverantwortung für die Finanzierung der Spitäler
- Ambulante Versorgung: Die Sozialversicherungsträger, insbesondere die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), finanzieren den niedergelassenen Bereich
Diese Aufteilung führt zu Ineffizienzen zwischen den Akteuren. Die Länder beklagen, dass immer mehr Leistungen vom ambulanten in den stationären Bereich verlagert werden, was die Spitäler zusätzlich belastet. Gleichzeitig fühlen sich die Sozialversicherungsträger in ihrer Rolle als Finanzierer ohne ausreichende Mitbestimmungsmöglichkeiten benachteiligt.
Gesundheitssystem: Strukturelle Reformen und die Forderung nach einer dritten Finanzierungssäule
Um die bestehenden Probleme zu adressieren, schlagen die Länder die Einführung einer dritten Finanzierungssäule vor, die vom Bund getragen werden soll. Diese soll insbesondere folgende Bereiche abdecken:
- Ambulanzen
- Primärversorgungszentren
- Gruppenpraxen
Ziel ist es, den ambulanten Bereich zu stärken und somit die Spitäler zu entlasten. Laut Vorschlägen der Länder sollen etwa 30 Prozent der Gesundheitsausgaben – rund acht Milliarden Euro – in diese neue Säule fließen.
Finanzielle Engpässe und steigende Kosten
Die Gesundheitsausgaben in Österreich sind zuletzt gestiegen, jedoch nicht im Einklang mit der Inflation. 2022 lagen die öffentlichen Gesundheitsausgaben bei 40,333 Milliarden Euro, ein Anstieg von 4,22 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Inflationsrate betrug jedoch 8,6 Prozent, was real einen Rückgang der Mittel bedeutet. Die ÖGK meldete für das Vorjahr einen Bilanzverlust von fast 400 Millionen Euro. Ein wesentlicher Faktor sind die Zahlungen an die Spitäler, die jährlich 5,2 Milliarden Euro betragen und etwa 28 Prozent des Gesamtbudgets der ÖGK ausmachen. Diese Zahlungen erfolgen pauschal, ohne dass die ÖGK Einfluss auf deren Verwendung hat.
Ärzteschaft warnt vor Systemkrise
Auch die niedergelassene Ärzteschaft schlägt Alarm. Sie kritisiert die mangelnde Attraktivität des Kassensystems, unzureichende Honorierung und übermäßige Bürokratie. Die Folge: Immer mehr Ärztinnen und Ärzte denken darüber nach, das Kassensystem zu verlassen. Die „Drei-Minuten-Medizin“ sei längst Realität, warnen Vertreter der Ärztekammer. Zudem werden flexiblere Arbeitsmodelle gefordert, wie Teilzeitmöglichkeiten und die Integration anderer Gesundheitsberufe in Ordinationen. Besonders in ländlichen Regionen wird ein eingeschränktes Dispensierrecht für Hausärzte gefordert, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Ausblick: Finanzausgleich als Chance für Reformen
Der bevorstehende Finanzausgleich bietet eine Gelegenheit, die Finanzierung des Gesundheitssystems neu zu strukturieren. Die Länder fordern nicht nur mehr Mittel, sondern auch eine klare Aufgabenverteilung und Mitbestimmung. Die Einführung einer dritten Finanzierungssäule könnte ein Schritt in Richtung eines effizienteren und patientenorientierteren Gesundheitssystems sein. Für die Ärzteschaft bedeutet dies, dass ihre Anliegen – von fairer Honorierung bis zu besseren Arbeitsbedingungen – in den Reformprozess einbezogen werden müssen. Nur so könne die medizinische Versorgung in Österreich langfristig gesichert und verbessert werden.